UNABHÄNGIGE INFORMATION FÜR ÄRZTE/INNEN
BEGRÜNDET VON DER ÄRZTEKAMMER FÜR TIROL IM JAHRE 1986 unter Präsident OMR Dr. J. M. Kapferer. Herausgeber, Verleger, Medieninhaber: Verlagshaus der
Ärzte GmbH, 1010 Wien, Nibelungengasse 13. Redaktion: Gerhard Bauer (Neurologie), Andrea Laslop (Pharmakologie), Christian Marth (Frauenheilkunde), Christian
Prior (Innere Medizin), lrene Virgolini (Nuklearmedizin), Günter Weiss (Innere Medizin), Christian Wiedermann (Innere Medizin) und Hans Winkler (Pharmakologie): Me-
dizinische Universität Innsbruck; Markus Mül er (Klinische Pharmakologie) und Wolfgang Schütz (Pharmakologie): Medizinische Universität Wien; Ekkehard Beubler
(Pharmakologie): Medizinische Universität Graz. Für den Inhalt verantwortlich und Korrespondenzadresse: Hans Winkler, Institut für Pharmakologie, Peter-Mayr-
Straße 1a, A-6020 Innsbruck. Druck: Ferdinand Berger & Söhne Ges.m.b.H., 3580 Horn. Erscheint vierteljährlich (März, Juni, September, Dezember). Auflage: 37.000. Internet: http://www2.i-med.ac.at/pharmakologie/pharmainfo.html
Jahrgang 22 / Nr. 4 Innsbruck Dezember 2007 Langzeitnutzen und Risiko
geklärt werden, die bei der Zulassung noch nicht vorlagen.
von neu zugelassenen Arzneimitteln:
In der PROActive Studie (7) wurde Pioglitazon im Vergleich
zu Placebo über 3 Jahre 5.000 Diabetikern/innen zusätz-
diskutiert am Beispiel Glitazone
lich zur Basismedikation gegeben, die kardiovaskuläre Vor-
Die Glitazone (Pioglitazon: Actos und Rosiglitazon: Avandia)
erkrankungen hatten (z. B. 47 % Herzinfarkte). Der primäre
wurden 999 von der europäischen Zentralbehörde zugel-
zusammengesetzte Endpunkt (Tod, Herzinfarkt, Schlaganfal ,
assen. In der Pharmainfo XIV/4/999 berichteten wir bezüg-
Beinamputation u. a.) wurde von 2,7 % auf 9,7 %, al erdings
lich Nebenwirkungen über das Auftreten von Ödemen (und
nicht signifikant, gesenkt. Für einen sekundären Endpunkt
auch über das Risiko von Herzinsuffizienz) und stel ten fest:
(Mortalität, Herzinfarkt und Schlaganfäl e), der knapp vor Stu-
„Ob eine langjährige Therapie zu nicht voraussehbaren
dienschluss definiert wurde, wurde dann eine statistische
Problemen führt, wird sich erst nach Langzeitstudien
signifikante Änderung (von 3,6 auf ,6 %) gefunden. Dies
erweisen“. Diese Aussage, die wir bei neu zugelassenen
ändert aber nichts daran, dass beim primären Endpunkt die
Substanzen immer wieder machen, sol zu einer strengen
absolute (nicht signifikante) Differenz nur 2 % (auch beim
Indikationsstel ung für neue Medikamente führen, was natür-
sekundären Endpunkt: 2 %) betrug und die Herzinsuffizienz
lich den Interessen der Pharmaindustrie entgegentritt, die die
aber von 7,5 auf 0,8 %, also um 3 % stieg. Bei der Hälfte der
Jahre des Patentschutzes mit möglichst viel Absatz nützen
Fäl e war diese Nebenwirkung so schwer, dass sie zur Spitals-
aufnahme führten. Dies wurde von den Autoren der Studie nicht ausreichend betont. Damit wurde das schon bei der
Welche Daten liegen heute zur Bewertung vor: Ein be-
Zulassung intensiv diskutierte Risiko der Herzinsuffizienz
kanntes Risiko der Glitazone war die Lebertoxizität, die für
klar belegt und in Summe (siehe auch 8) hat die PROActive-
ein Derivat, Troglitazon, zur Marktrücknahme führte. Erfreu-
Studie eine eher negative gesamtkardiovaskuläre Wirkung
licherweise ist festzustel en, dass zwar für Pioglitazon und
für eine Langzeittherapie ergeben (siehe z. B. 9). Auch in der
Rosiglitazon vereinzelte Fäl e von Leberschädigung berichtet
ADOPT-Studie mit 4.360 Patienten/innen (neu diagnostizier-
wurden, dies aber ein sehr seltenes Ereignis darstel t ().
te Diabetiker/Innen: 0) waren für Rosiglitazon gegenüber
Vor kurzem ist eher überraschend eine völ ig neue Neben-
Sulfonylharnstoff die kardiovaskulären Ereignisse (Herzinfarkt
wirkung erkannt worden. Bei Frauen (und nur bei diesen) füh-
numerisch und Herzinsuffizienz signifikant) höher und dies
ren die Glitazone zu Frakturen, und zwar im Gegensatz zur
gilt für Herzinsuffizienz auch in der Dream Studie (Rosigli-
klassischen Osteoporose, vor al em im distalen Bereich der
tazon für 3 Jahre bei Patienten/innen mit Störungen des
Extremitäten (Unterarm, -schenkel, Hand und Fuß). Die Fre-
Zuckerstoffwechsels: ). Eine zusätzliche Ausweitung der
quenz ist mit ca. einer zusätzlichen Fraktur pro 00 Frauen/
Diskussion erfolgte durch eine Metaanalyse von 42 Studien
(2), in der für Rosiglitazon ein erhöhtes Herzinfarktrisiko
In sehr seltenen Fäl en wurden Maculaödeme nach Gli-
(RR ,43, p = 0,03) gefunden wurde. Ausgelöst durch diese
tazon beobachtet. Auch wenn dieses Leiden bei Diabetikern
Resultate wurde für die Record Studie eine Interimsanalyse
auch spontan auftreten kann, spricht für einen kausalen
(nach 3,75 Jahren bei einer geplanten Gesamtdauer von 6
Zusammenhang, dass sich bei Absetzen der Glitazone die
Jahren) durchgeführt (3). In dieser Studie wurde nach einer
Basistherapie mit Metformin oder Sulfonylharnstoff als add
Glitazone greifen am nukleären Rezeptor PPAR-gamma
on Therapie Rosiglitazon zugegeben. Für Herzinfarkte wur-
(peroxisomal proliferator activated Rezeptor) an, der unter
de kein signifikanter Anstieg (RR ,6, p = 0,5) gefunden, für
anderem auch in die Zel differenzierung involviert ist. Daher
Herzinsuffizienz die oben diskutierten Daten bestätigt (RR
wurde von Anfang an ein mögliches karzinogenes Risiko
diskutiert. Kürzlich haben zwei Studien widersprüchliche Da-
Bis Daten von Langzeitstudien vorliegen, verbleibt die
ten ergeben. In der einen retrospektiven Studie (5) wird über
Situation unklar, und dies ist auch der Konsens internationaler
ein reduziertes Lungenkarzinom-Risiko bei unverändertem
Kommentatoren (4–6), während die zuständige Firma, nicht
Risiko für Colon- und Prostatakarzinom berichtet. In einer an-
überraschenderweise, von der kardiovaskulären Sicherheit
deren Querschnittsstudie (6) wurde ein signifikant erhöhtes Risiko für Karzinome gefunden, al erdings nur für Frauen bei Einnahme von Rosiglitazon, was eine Interpretation schwierig
Inhalt: Glitazone (Actos und Avandia)
macht. Demgegenüber war in der über 3 Jahre laufenden
PROActive Studie (7) die Gesamtinzidenz von Karzinomen
nicht erhöht, Mammakarzinome waren reduziert, Blasenkar-
zinome erhöht. Langzeitdaten sol ten wie für Statine (bis 0
Jahre) erhoben werden, um jedes Risiko auszuschließen.
Für ein Diabetesmedikament ist die Frage entschei-
dend, wie die Therapie die vaskulären Diabeteskompli-
kationen beeinflusst. Dies kann nur durch Langzeitstudien
von Rosiglitazon („clear evidence of the cardiovascular safety
Zeichen der Herzinsuffizienz nach kürzlich aufgetretenem My-
of rosiglitazone: chief medical officer) spricht (7). Zumindest
okardinfarkt zugelassen (in den USA auch für Hypertonie).
derzeit erscheint, wenn überhaupt, ein erhöhtes Herzin-
Eplerenon ist ein kompetitiver Aldosteronrezeptoranta-
farktrisiko nur für Rosiglitazon, aber nicht für Pioglitazon
gonist und ist chemisch mit Spironolacton (Aldactone,
gegeben, während beide Glitazone schwere Herzinsuffi-
Spirobene, Spirohexal, Spirono Genericon, Spironolac-
zienz (mit Hospitalisierung) auslösen können. Für Pioglita-
ton) verwandt. Die Wirkung von Eplerenon ist im Vergleich
zon wurde in einer kürzlich durchgeführten Metaanalyse so-
zu Spironolacton selektiver aber etwas schwächer ausge-
gar ein reduziertes Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfäl e
prägt. Eplerenon als „moderner“ Aldosteronantagonist zeich-
net sich – im Vergleich zu Spironolacton – durch geringere antiandrogene und progestagene Eigenschaften aus. Die kli-
Welche Schlussfolgerungen sind angebracht?
nische Wirksamkeit von Eplerenon wurde in der EPHESUS-
Wie schon so oft hat sich auch in diesem Fal gezeigt, dass
Studie dokumentiert (). Hier kam es bei > 6000 Patienten/
der Nutzen und das Risiko neuer Präparate bei der Zulas-
innen mit reduzierter Herzleistung nach einem kürzlich (< 4
sung letztlich unklar sind. Neu zugelassene Mittel sollten
Tage) aufgetretenen Myokardinfarkt als „add-on“ zur Stan-
daher als erste Wahl nur verschrieben werden, wenn sie
dardtherapie innerhalb von 6 Monaten zu einer Senkung der
einen neuen Nutzen bringen (in diesem Fal nicht gegeben).
Gesamtmortalität um 5 % (NNT = 50: Number Needed to Tre-
Die Glitazone senken zwar Surrogat-Parameter bei Diabetes-
at: in diesem Fall müssen 50 Patienten/innen behandelt wer-
kranken, ein klarer positiver Langzeiteffekt für makrovaskuläre
den um einen Todesfall zu verhindern). An Nebenwirkungen
Komplikationen bei zusätzlicher Gabe zur Basismedikation,
werden für Eplerenon vor al em Hyperkaliämien (5,5 % ver-
konnte aber nicht gezeigt werden. Bei den Nebenwirkungen
sus 3,9 % unter Placebo) beschrieben. Gynäkomastien treten
sind Leberschäden und Maculaödeme jetzt als sehr selten zu
nicht häufiger als unter Placebo auf. Ein genereller Ersatz
bewerten, die Erhöhung der Frakturrate bei Frauen ( Fal pro
von Spironolacton durch das „modernere“ Eplerenon ist
00 Frauen pro Jahr) ist aber problematisch. Schwerwiegend
allerdings aufgrund unterschiedlicher Indikationsgebiete
ist das Auftreten von Herzinsuffizienz bei beiden Substan-
nicht gerechtfertigt. In der für Spironolacton vorliegenden
zen. Weiters müssen Langzeitstudien, insbesondere für Ro-
Endpunktstudie RALES wurden Patienten/innen mit chro-
siglitazon (Avandia) zweifelsfrei belegen, dass diese Substanz
nischer Herzinsuffizienz (NYHA I I–IV), unabhängig von einem
die Herzinfarktrate nicht erhöht. Wenn hingegen eine Erhö-
kürzlich erlittenen Myokardinfarkt eingeschlossen (2).
hung bewiesen werden sol te, würde das wohl die Marktrück-
Sowohl für Eplerenon als auch Spironolacton ist eine regel-
nahme bedeuten. Erst wenn diese Fragen (zusätzlich auch
mäßige Kontrol e der Kaliumspiegel und der Nierenfunktion,
das noch nicht völ ig ausgeschlossene Karzinomrisiko) geklärt
insbesondere engmaschig bei Kombination mit ACE-Hem-
sind, könnte man darüber diskutieren, ob Glitazone als Mono-
mern oder AT2-Antagonisten, vorgeschrieben.
therapie bezüglich Langzeitkontrol e des Blutzuckers (siehe 3)
Zusammenfassend ist Eplerenon eine wichtige Substanz
oder zur Diabetes Prophylaxe (siehe8) Vorteile besitzen.
bei Patienten nach akutem Myokardinfarkt mit reduzierter
Glitazone sind daher heute belegterweise kritischer zu
Linksventrikelfunktion und Herzinsuffizienz zusätzlich zur
sehen. Für eine Diabetestherapie ist Metformin (Diabetex, Standardtherapie (Diuretika, ACE-Hemmer, Betablocker). Zur
Glucophage, Metformin-Präparate) für die meisten Patien-
Behandlung der chronischen Herzinsuffizienz ist nach wie
ten/innen Mittel erster Wahl (siehe z. B. 9). Sulfonylharnstoffe
vor Spironolacton das am besten belegte Medikament, eine
sind bezüglich Nutzen und Risiko ebenso gut belegt. Pioglita-
Wirksamkeit von Eplerenon in dieser Indikation ist anzuneh-
zon (Actos) kann dann in weitere Überlegungen, insbesonde-
men, aber durch Studien nicht belegt. Erst bei Auftreten von
re bei einer Kombinationstherapie, einbezogen werden (20),
Spironolacton – induzierten Gynäkomastien (nur in ca. 0 %
für Rosiglitazon (Avandia) sol ten derzeit zusätzliche Daten
der Fäl e: 2) kann die Gabe von Eplerenon erwogen werden.
über das Risiko des Herzinfarktes abgewartet werden.
(2) BMJ 334, 551, 2007 (3) NEJM 355, 2427, 2006
Ivabradin (Procoralan)
Diese Substanz wurde Ende 2005 EU-weit für Patienten/in-
nen mit chronisch stabiler Angina pectoris (AP) und einer
Kontraindikation oder Unverträglichkeit für Betablocker
zugelassen (siehe European Public Assessment Report:
(8) Lancet 366, 1241, 2005 (9) Can Med Ass J 174, 1090, 2006
EPAR, http://www.emea.europa.eu/humandocs/PDFs/EPAR/
procoralan/32044705en6.pdf). Ivabradin zeichnet sich durch
einen neuen Wirkmechanismus aus, nämlich der Hemmung
eines vor etwa 30 Jahren entdeckten Ionenkanals (IF) – des
sogenannten „funny channels“ – an den Schrittmacherzel-
len des Sinusknotens. Hierdurch kommt es zu einer, über
eine Herzfrequenzsenkung vermittelten, Reduktion des my-
okardialen Sauerstoffverbrauchs. Die antianginöse Wir-
(17) Lancet 369, 1995, 2007 (17a) JAMA 298, 1180, 2007
kung von Ivabradin wurde in einigen relativ großen Studien
dokumentiert: bei Patienten/innen mit chronisch stabiler AP
konnte gezeigt werden, dass sowohl die Zeit bis zu einer ST-
Streckensenkung als auch die Zeit bis zu limitierenden AP-Symptomen unter Belastung durch 2 2,5–0 mg Ivabradin
Neuere Substanzen
signifikant gegenüber Placebo verlängert werden konnte (). In zwei anderen Studien konnte bezüglich der Belastungs-dauer die Nicht-Unterlegenheit von bis zu 2 0 mg Ivabra-
Eplerenon (Inspra)
din gegen maximal 00 mg Atenolol (2) und 0 mg Am-
Diese Substanz wurde 2004 EU-weit für Patienten/innen mit
lodipin (siehe EPAR) gezeigt werden. Als „add-on“ Therapie
linksventrikulärer Dysfunktion (LVEF < 40 %) und klinischen
mit Verapamil konnte keine Überlegenheit versus Amlodipin-
Monotherapie gezeigt werden (siehe EPAR). An relevanten
Positive Studien wurden vor al em mit Glukosamin Sulfat,
Nebenwirkungen treten Sehstörungen (z. B. Lichtblitze,
aber eben auch mit Unterstützung der Industrie durchgeführt
Lichtempfindlichkeit) bei etwa 15 % der Patienten/innen, (4). Diese Tendenz scheint sich auch in den neuesten Studien sowie (Sinus-) Bradykardie und AV-Block auf.
fortzusetzen. Eine Studie (5) findet für Glukosamin Hydrochlo-
Zusammenfassend wurde mit Ivabradin ein pharmako-
rid keinen Effekt bei Osteoarthritis, eine firmengesponserte
logisch interessantes, symptomatisch wirksames neues
Studie für Glukosamin Sulfat (6) positive Resultate und eine
Arzneimittel entwickelt. Direkte Endpunktdaten (z. B. Sen-
dritte ohne Angabe des Salzes keinen Effekt bei akuten Knie-
kung der Inzidenz kardiovaskulärer Ereignisse) liegen für
verletzungen von Sportlern (7). Es ist aber schwer vorstel bar,
Ivabradin, im Gegensatz zu Betablockern, derzeit nicht
dass unterschiedliche Salze die Resorption und die Wirkung
vor. Obwohl unter physiologischen Bedingungen ein positiver
von Glukosamin verändern, da ja das Glukosamin-Molekül
Zusammenhang zwischen niedriger Ruheherzfrequenz und
resorbiert werden und als solches wirken müsste. Auf jeden
kardiovaskulärer Mortalität besteht (3), ist die Frage, ob sich
Fal fehlen direkte Vergleichsstudien, die eine unterschied-
auch das pharmakologische Konzept der Herzfrequenzsen-
kung mit Ivabradin günstig auf kardiovaskuläre Mortalität aus-
Wenn wir gut durchgeführten (siehe 2) und firmenunab-
wirkt, derzeit unbeantwortet. Die Therapie mit Ivabradin
hängigen Studien ein größeres Gewicht beimessen, dann ist
beschränkt sich daher auf eine second-line Indikation
eine positive Wirkung von Glukosamin bei Osteoarthrose
bei Betablocker-Kontraindikation oder -Unverträglich-
nicht belegt (siehe auch 8, 9, und für eine gegenteilige Mei-
keit. Eine Überlegenheit gegenüber Calciumantagonisten
nung 0). Bei einer solch unklaren Datenlage ist es völlig
vom Dihydropyridintyp (wie z. B. Amlodipin: Amlodilan, Am-
unverständlich, wie die EMEA eine Zulassung für Europa
lodinova, Amlodipin Generika, Amlohyp, Amlotyrol, Co-
radipin, Edidipin, Norvasc) ist nicht belegt.
Auch das Fehlen von Nebenwirkungen kann nicht ei-
nen fraglichen Nutzen ersetzen. Neben klinischer Neben-
wirkungen sind ja auch finanziel e Nebenwirkungen und die
Nebenwirkung eines verminderten Vertrauens in die europä-
(2) Circulation 107, 817, 2003 (3) Eur Heart J 26, 967, 2005
Glukosamin
Glukosamin (Flexove, Progona), das auch einen Bestandteil
(2) Cochrane Database Syst Rev 2005; CD002946
des Knorpels darstel t, wurde als orales Mittel zur Behand-
lung der Arthrose propagiert. Da für diese Substanz beim
dezentralen Zulassungsverfahren in Europa kein Konsens
(5) Osteoarthritis & Cartilage, published online: Messier et al., 2007
über die Zweckmäßigkeit dieses Mittels erhalten wurde, hat
die Londoner Behörde (EMEA: http://www.emea.europa.eu/
(7) Res Sports Med 15, 113, 2007 (8) Cleveland Clin J Med 74, 65, 2007
htms/human/referral/referral.htm) im Rahmen eines für einen
solchen Fall vorgesehenen „referrals“ in dieser Angelegenheit
entschieden und Glukosamin für die Behandlung der Symp-
tome von leichter bis moderater Osteoarthrose des Knies für
Raucherentwöhnung: Update
Europa zugelassen. Wir haben in der Pharmainfo mehrfach
Die Nikotinsucht stel t aufgrund der mit ihr verbundenen ho-
betont, dass die europäische Arzneimittelzulassung eine po-
hen Mortalität (in Österreich ca. 0.000 Todesfäl e pro Jahr
sitive Entwicklung für den Arzneimittelmarkt darstel t, insbe-
durch Aktivrauchen und mindestens 300 Todesfäl e durch
sondere weil dadurch ein für die gesamte EU gültiges Verfah-
Passivrauchen) die schwerste Suchtform in Österreich dar.
ren mit einem guten Niveau garantiert werden sol te.
Zusätzlich wird immer klarer, dass die psychische Abhän-
Gilt dies auch für diese Entscheidung? Studien zur
gigkeit von Nikotin viel höher ist als früher angenommen
Wirkung von Glukosamin haben widersprüchliche Daten
wurde. So ist z. B. jetzt die Erkenntnis, dass Cannabis weni-
erbracht. In ersten Metaanalysen dieser Studien wurde von
ger psychische Dauerabhängigkeit als Nikotinabusus bedingt,
einer gegenüber Placebo signifikant besseren Wirkung ge-
für manche wohl eher überraschend (Lancet 369, 047, 2007).
sprochen (siehe ). In den letzten Jahren wurden nun Studien
Das Rauchen aufzugeben ist daher offensichtlich schwierig.
mit höherer Qualität durchgeführt und jetzt zeigte sich, dass
Für eine Hilfe durch Medikamente besteht großer Bedarf. Zu
eine Analyse, die sich auf Daten hoher Qualität stützt, keine
den bisher registrierten Präparaten (Nikotinersatz und Bu-
Wirkung von Glukosamin belegen kann. So stel t der neuere
propion: Zyban) ist nun ein weiteres Medikament (Vareniclin)
Cochrane Review 2005 (2) im Gegensatz zu einem von 999
fest: In 20 Studien mit gutem Studiendesign (2.570 Pa-
Wenn die psychische Abhängigkeit so hoch ist, muss
tienten/innen) war Glukosamin bezüglich Schmerz und
alles getan werden um die Jugendlichen vom Rauchbe-
dem funktionalen WOMAC score nicht besser wirksam
ginn abzuhalten. Die in Europa bereits etablierten Rauchver-
als Placebo. Die Nebenwirkungen von Glukosamin waren
bote (Österreich hinkt hier bedenklich nach) sol ten nicht nur
als Schutz der Raucher vor dem Aktiv- und Schutz der Nicht-
Diese Schlussfolgerung erhielt nun noch eine weitere über-
raucher vor dem Passivrauchen gesehen werden, sondern
zeugende Bestätigung durch eine große (.583 Patienten/in-
auch als wesentlicher Beitrag dazu, dass für Jugendliche das
nen) Studie (finanziert vom NIH, USA: 3). Glukosamin führte
Rauchen weniger attraktiv gemacht wird. Viel eicht könnte di-
bei einer Behandlung von Kniearthrose über 24 Wochen
ese Erkenntnis den Rauchern so manches Verbot erträglicher
zu keiner signifikanten Verbesserung des Schmerzes ge-
machen, wenn sie erkennen, dass damit für die nächste Ge-
neration eine Reduktion der tödlichsten Suchtform erreicht
werden dürfte. Der österreichischen Ärztekammer ist für die
Eine rezente kritische Analyse (4) al er Daten kommt zur
jahrelangen Aufklärungsbemühungen zur Nikotinsucht zu
Feststel ung, dass zwischen den Studien eine starke Hetero-
genität besteht. Eine Möglichkeit der Erklärung dafür sehen die Autoren einerseits in der Verwendung unterschiedlicher
Neu registriert: Vareniclin (Champix)
Glukosamin Präparate (Glukosamin Sulfat versus Hydrochlo-
Vareniclin (Champix) wurde kürzlich in Österreich zur Be-
rid) bzw. in einer Beeinflussung durch den Firmensponsor.
handlung der Nikotinabhängigkeit („Raucherentwöhnung“)
über das zentrale europäische Verfahren zugelassen. Vare-
Piroxicam (Brexin, Felden, Pirocam, Pirorheum,
niclin ist ein partiel er Agonist, der an nikotinerge a4b2-Ace-
Piroxistad) und Nimesulid (Aulin)
tylcholin-Rezeptoren bindet. Es hat im Vergleich zu Nikotin ei-
Wir haben mehrfach (Pharmainfo II/3/987, III/2/988,
ne höhere Affinität zu diesem Rezeptor, blockiert dadurch die
X//995) berichtet, dass das nichtsteroidale Antiphlogis-
Nikotinbindung und verhindert damit den „Verstärkungs- tikum (NSAID) Piroxicam mit einem vergleichsweise hohen
und Belohnungseffekt“, der beim Zigarettenrauchen durch
Risiko schwerer gastrointestinaler Nebenwirkungen, aber
Bindung von Nikotin an diesen Rezeptor entsteht. Gleichzei-
auch für schwere dermatologische Reaktionen (Pharmainfo
tig besitzt Vareniclin als partiel er Agonist eine intrinsische Ak-
tivität am Rezeptor. Durch diese nikotinähnliche Eigenwirkung
Piroxicam gehört zur chemischen Gruppe der Oxicame,
werden Rauchverlangen („craving“) und Entzugssymp-
die eine lange Halbwertszeit im Organismus haben und dies
dürfte auch die Ursache der gegenüber anderen NSAID er-
Die Wirksamkeit von Vareniclin wurde in zwei identisch
konzipierten, Plazebo kontrol ierten Doppelblindstudien un-
Ein anderes Präparat dieser Gruppe, Isoxicam, wurde be-
tersucht (2, 3). Die Therapiedauer betrug bei diesen Unter-
reits 985 (Pharmainfo I//986) wegen schwerer dermatolo-
suchungen 2 Wochen. Die Abstinenzraten nach 2 Wochen
gischer Reaktionen vom Markt genommen. Tenoxicam (Til-
waren mit Vareniclin (44 %) besser als mit Plazebo (8 %) oder
cotil), mit einer besonders langen Halbwertszeit von 70 Stun-
Bupropion (Zyban; 30 %). Nach einem Jahr waren die Abs-
den, haben wir kritisch bewertet (siehe Pharmainfo I I/4/988).
tinenzraten in beiden Studien nach Vareniclin (22 bzw.
Es ist in Österreich nicht mehr lieferbar.
23 %) besser als nach Plazebo (8,4 bzw. 10 %), in einer
Für Piroxicam hat nun die europäische Behörde (EMEA
Studie auch besser als nach Bupropion (5 %) (3). In einer
Press Release: 2. Juni 2007) eine massive Einschränkung
dritten Studie (4) konnte gezeigt werden, dass durch eine
der Verordnungen aufgrund der gastrointestinalen und der-
Verlängerung der Behandlungsdauer von 2 auf 24 Wochen
matologischen Nebenwirkungen empfohlen. Es soll nicht als
eine signifikante Steigerung der -Jahres-Abstinenzrate auf
Mittel erster Wahl, nur für kurzzeitig schmerzhafte und ent-
zündliche Erkrankungen, in der niedrigst möglichen Dosis
Die häufigste Nebenwirkung ist Übelkeit und tritt in der
und nur für die kürzest mögliche Zeit (was al erdings gegen
Anfangsphase der Behandlung bei immerhin bis zu 30 %
die Verwendung bei längerdauernden Erkrankungen spricht)
der Behandelten auf. Weitere unerwünschte Wirkungen sind
Schlafstörungen, Albträume und Kopfschmerzen. Die nach
In der Pharmainfo XX/2/2005 berichteten wir über Nime-
Beendigung des Rauchens häufig beobachtete Gewichtszu-
sulid (Aulin). Da nach Gabe dieses Medikaments in Spanien
nahme wird durch Vareniclin (im Gegensatz zu Nikotinersatz-
und Finnland schwere Fäl e von Lebertoxizität beobachtet
therapie und Bupropion) nicht gestoppt ().
wurden, befasste sich die europäische Behörde in London
Zwei jüngste Berichte (5) sprechen dafür, dass Vareniclin
mit dieser Substanz. Sie stel te damals fest, dass eine er-
psychotische Symptome bei Schizophrenen und Patienten/
höhte Lebertoxizität zwar in Spanien und Finnland, aber nicht
innen mit bipolaren Psychosen auslösen kann
in anderen Ländern beobachtet wurde. Inzwischen kam es
Mit Vareniclin steht somit ein weiteres wirksames Medi-
zu schweren Leberzwischenfäl en in Irland und dieses Land
kament zur Unterstützung der Nikotinentwöhnung zur Ver-
fügung. Die Erfolgsraten sind zumindest gleich, wenn nicht
Die europäische Behörde befasst sich nun neuerlich mit
besser als mit dem schon länger zugelassenen, aber wegen
dieser Substanz und konnte sich offensichtlich nicht zu ei-
Nebenwirkungen selten verwendeten Bupropion. Ein direkter
ner Marktrücknahme entschließen, aber Nimesulid sol te mit
Vergleich mit der ebenfal s wirksamen, preisgünstigen und
der kleinsten möglichen Dosis und für die kürzest mögliche
nebenwirkungsarmen Nikotinersatztherapie steht noch
Zeit, aber auf keinen Fal über 5 Tage verwendet werden.
aus. Diese bleibt weiterhin das Entwöhnungsmittel erster
Weiters heißt es in der Fachinformation unter Indikationen:
Wahl. Vareniclin kann bei mangelndem Erfolg dieser Thera- „Die Entscheidung Nimesulid zu verschreiben sol te auf der
pie versucht werden und ist trotz noch geringer Erprobung
Basis einer Bewertung des Gesamtrisikos des/der einzelnen
dem Bupropion (Zyban) vorzuziehen, das durch die zwar sel-
Patienten/in erfolgen“ (siehe EMEA Berichte 2. September
tene, aber schwerwiegende Nebenwirkung von Krampfanfäl-
2007). Dem/der verschreibenden Arzt/Ärztin wird also eine
len (siehe Pharmainfo XV/2/2000, XVI /2/2002, XVI I//2003)
erhöhte Verantwortung aufgebürdet, die eigentlich die Behör-
Es sei darauf hingewiesen, dass auch die Anwendung von
Da es für die Indikation der beiden Substanzen genü-
Vareniclin dem entwöhnungswil igen Raucher den festen Ent-
gend Alternativen gibt, entsprechen diese Einschrän-
schluss zum „Tag der letzten Zigarette“, also das bewusste
kungen eigentlich einer Empfehlung zur Nichtverwen-
und aktive Aufhören, nicht erspart.
dung. Es ist schwer verständlich, warum bei dieser Daten-
lage die EMEA diese Präparate nicht vom Markt genommen hat, al erdings machen die gesetzlichen Gegebenheiten eine
solche Maßnahme schwierig. Für den/die verschreibenden
(2) JAMA 296, 47, 2006 (3) JAMA 296, 56, 2006
Arzt/Ärztin gilt aber die ärztliche Verantwortung und er/
sie kann daher NSAID verschreiben, die ein besseres
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